Der digitale Fussabdruck...
Jede einzelne Suchanfrage, jedes gestreamte Lied oder Video und jede Art von Cloud-Computing, milliardenfach ausgeführt, überall auf der Welt, ist für einen global immer grösser werdenden Strombedarf verantwortlich – und damit auch für steigende CO2-Emissionen. Damit stellt uns das digitale Zeitalter vor grosse Herausforderungen.
Jede einzelne Suchanfrage, jedes gestreamte Lied oder Video und jede Art von Cloud-Computing, milliardenfach ausgeführt, überall auf der Welt, ist für einen global immer grösser werdenden Strombedarf verantwortlich – und damit auch für steigende CO2-Emissionen. Damit stellt uns das digitale Zeitalter vor grosse Herausforderungen.
Der WiFi-Tunnel - Sinnbild dafür, wie wenig wir über unseren
digitalen Fussabdruck wissen?
Nichts geht mehr ohne digitale Tools und Dienstleistungen –
oder kannst du dir noch ein Leben ohne Smartphone, Apps und Chats, ohne
Wikipedia, Online-Banking, Routenplaner und eine riesige, immer und nahezu
überall verfügbare Auswahl an Musik und Filmen vorstellen? Wahrscheinlich
nicht, denn all dies erleichtert unseren Alltag enorm. Doch nicht nur aus dem
privaten Bereich ist die Digitalisierung nicht mehr wegzudenken, auch in der
Landwirtschaft und Industrie, bei der Energiewende und der Zukunft unserer
Städte spielen digitale Technologien eine immer größere Rolle. Gleichzeitig
bietet die Digitalisierung neue Lösungen für den Umwelt- und Klimaschutz und
für mehr soziale Gerechtigkeit. Über diese zu berichten, sehen wir als einen
wichtigen Teil unserer Mission mit RESET und unser Newsblog ist voll guter
Beispiele.
Doch der Datenverkehr, so unmittelbar und entmaterialisiert
er uns auch erscheinen mag, führt schweres Gepäck mit sich: einen stetig
wachsenden Energieverbrauch, eine ausbeuterische und umweltschädliche
Produktion der smarten Tools und am Ende ihres häufig viel zu kurzen Lebens
große Mengen Elektroschrott. Damit stellt sich die Frage: Kann die
Digitalisierung am Ende zu einer grüneren und gerechteren Welt beitragen oder
feuert auch sie den Klimawandel nur weiter an?
Mit diesem Hintergrundartikel nähern wir uns dem an, was
sich hinter dem ökologischen und sozialen Fußabdruck der Digitalisierung
verbirgt und welche Lösungsansätze auf politischer und unternehmerischer Ebene
schon jetzt bereitstehen, um diesen zu verkleinern.
Energieverbrauch der Digitalisierung
Die wenigsten machen sich bewusst, dass das Internet aus
miteinander verbundenen physischen Strukturen besteht, die Unmengen an
Ressourcen verbrauchen. Der Blick auf einige Zahlen verrät jedoch genau das:
33 Millionen Tonnen CO2 jährlich – diese Emissionen
verursacht nach Angaben des SWR alleine Deutschland durch den Betrieb des
Internets und internetfähiger Geräte (Stand 2018). Das ist so viel, wie durch
den gesamten innerdeutschen Flugverkehr entsteht. Doch wir sind nicht die
einzigen, die intensiv auf das Energiekonto der Digitalisierung einzahlen:
Mittlerweile ist mehr als die Hälfte der Weltbevölkerung online. Laut Report
der Digital-Agentur We Are Social nutzten 2019 mehr als vier Milliarden
Menschen das Internet – und sorgten mit Online-Aktivitäten wie Cloud-Computing,
Streaming-Diensten und bargeldlosen Bezahlsystemen für einen stetig wachsenden Energiebedarf.
Die Non-Profit-Organisation The Shift Project (PDF) wertete
knapp 170 internationale Studien zu den Umweltauswirkungen digitaler
Technologien aus. Den Experten zufolge hat sich deren Anteil an den globalen
CO2-Emissionen zwischen 2013 und 2018 von 2,5 auf 3,7 Prozent erhöht. Damit hat
die Nutzung digitaler Technologien global gesehen sogar die Luftfahrtindustrie
in Sachen CO2-Ausstoß überholt. Deren Anteil lag Schätzungen zufolge bei rund
2,5 Prozent (Tendenz steigend). Von Studie zu Studie mögen diese Zahlen leicht
variieren, da der Energieverbrauch der Digitalisierung nur schwer zu fassen
ist. Dennoch ist klar, dass der Verbrauch schon jetzt gross ist und, sollten die
Entwicklungen im gleichen Tempo wie bisher voranschreiten, weiterhin wachsen
wird.
Wer sind die grössten Energiefresser der digitalen Welt?
Diese Infografik gibt einen ersten Einblick - wohlbemerkt
nicht wissenschaftlichen Standards genügend.
Eine Suchanfrage bei der bekanntesten Suchmaschine weltweit,
Google, löst nach eigenen Angaben des Unternehmens einen Strombedarf von 0,0003
Kilowatt aus. Mit zweihundert solcher Suchanfragen wird also genauso viel
Energie verbraucht, wie für das Bügeln eines Hemdes. Und mit den monatlichen
Suchanfragen eines durchschnittlichen Nutzenden lässt sich eine
60-Watt-Glühbirne für immerhin drei Stunden mit Strom versorgen.
Das hört sich wenig an? Ja, einzeln betrachtet schon. Doch
allein bei Google prasseln rund 3,8 Millionen Suchanfragen in der Minute ein,
wie eine Studie im Auftrag der Wirtschaftswoche ergab. All diese Suchanfragen
summieren sich zu einem Energieverbrauch, den Google selbst allein für das Jahr
2015 mit 5,7 Terawattstunden bezifferte. Der jährliche Energiekonsum der Stadt
San Francisco dürfte in etwa genau so hoch sein.
Doch Suchanfragen sind längst nicht der Kern des Problems:
Der neue Stromfresser ist das Musik- und Video-Streaming. Nach Berechnungen von
The Shift Project sausen 80 Prozent aller Daten als Bewegtbild durchs Netz.
Demzufolge haben Online-Videos am weltweiten Datentransfer einen Anteil von
fast 60 Prozent. Das sind vor allem Videos, die ohne vorherigen Download online
auf separaten Endgeräten angesehen und von Plattformen bereitgestellt werden.
Und diese Übertragung von Bewegtbildern benötigt riesige Datenmengen. Dabei
gilt: Je höher die Auflösung, desto mehr Datenverkehr.
Der durchschnittliche CO2-Verbrauch durch solche
Online-Videos liegt laut The Shift Project bei mehr als 300 Millionen Tonnen
pro Jahr (Messzeitraum 2018). Ungefähr genau so viel emittiert ganz Spanien in
einem Jahr. Und noch ein anderer Vergleich: Zehn Stunden HD-Film erfordern mehr
Bits und Bytes als alle Artikel der englischen Internet-Enzyklopädie Wikipedia
(englisch) zusammengenommen.
Auch das Musikstreaming schneidet ziemlich schlecht ab: Eine
neue Studie der Universitäten von Glasgow und Oslo zeigt, dass Musikstreamingdienste
etwa 200 bis 350 Millionen Kilogramm Treibhausgas-Emissionen in den Jahren 2015
und 2016 verursacht haben. Damit ist die Nutzung von Streamingdiensten wie
Spotify oder Apple Music durch vergleichsweise hohe CO2-Emissionen in vielen Fällen
klimaschädlicher als die Produktion und Entsorgung von CDs oder Schallplatten.
Ein weiterer großer Stromfresser ist das Cloud-Computing.
Bei dieser Art der Datenspeicherung und des -transfers werden Daten nicht mehr
lokal auf einem Computer oder Smartphone gespeichert, sondern auf Servern, die
an jedwedem Ort weltweit stehen können. So kann immer und überall auf diese
Daten zugegriffen werden.
Auch die meisten Kryptowährungen verschlingen große Mengen
Energie. Ein Beispiel hierfür ist Bitcoin, die wohl bekannteste digitale
Währung, die über eine Blockchain verwaltet wird und durch Mining entsteht.
Hierbei lösen Computer komplizierte mathematische kryptographische Rätsel.
Dafür bedarf es großer Rechenleistungen – und damit auch enorm viel Strom. Dies
gilt auch für Überweisungen in dieser Währung. Nach Berechnungen des Bitcoin
Energy Consumption Index (2018) verbraucht eine einzige Bitcoin-Transaktion
rund 819 kWh. Ein Kühlschrank mit 150 Watt könnte damit etwa acht Monate lang
betrieben werden. Und die TU München hat in einer Studie 2018 ermittelt, dass
das gesamte Bitcoin-System rund 22 Megatonnen Kohlendioxid pro Jahr verursacht.
Das entspricht dem CO2-Fußabdruck von Städten wie Hamburg, Wien oder Las Vegas.
Doch nicht nur die Bitcoin-Blockchain ist energieintensiv.
Auch andere Blockchains und Distributed Ledger Technologies (DLTs) sind aus
ökologischer Sicht kritisch zu betrachten. In dem RESET-Spezial Blockchain und
nachhaltige Entwicklung – wie passt das zusammen? geben wir einen Überblick.
Für einen weiter wachsenden Strombedarf der Digitalisierung
wird mit Sicherheit auch die Zunahme an smarten Technologien sorgen, wie wir
sie vermehrt zu Hause (Smart Home), im IoT-Bereich, in der Industrie (Industrie
4.0) oder in unseren Städten (Smart Cities) einsetzen. >> weiterlesen
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